Fachartikel

  • Tierspezifische Grundrechte für >die Tiere< als Teil des Rechtsstaates
    Zur Veröffentlichung beim LEOH – Journal of Animal Law, Ethics and One Health eingereicht.

    Zum Inhalt:

    Gibt es einen Weg der Befreiung der Tiere aus Sklavenhaltung und Tyrannei? Das war das Motiv der Vordenker der Menschenrechte vor über 220 Jahren, Rousseau, Bentham, Friedrich Schiller, aber auch der Sinn der 12-jährigen Bewegung „Tierschutz ins Grundgesetz“. Einzigartig, dass jetzt mehr denn je Menschen und Tiere darauf angewiesen sind: Der Mensch als Treuhänder für die Tiere muss endlich für >die Tiere< Nothilfe leisten gegen deren tagtägliche Qualhaltung.

    2019 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die jahrzehntelang massenhafte Tiertötung menschlicher Eintagsküken als fundamental gegen das TierSchG gerichtet erkannt und dabei auf die amtliche Begründung der 2002 festgelegten „Schutz vor nicht artgemäßer Haltung, vor vermeidbaren Leiden“ und „die Achtung der Tiere als Mitgeschöpf“ gesetzt. Erst letztes Jahr (siehe Fachbeiträge v. Loeper in Natur und Recht, 2023, Heft 3, S. 163-169, Heft 6, S. 377-384)brachten „das Sittengesetz“ in die Debatte: Seit Menschengedenken sind daraus „Menschenpflichten und Tierrechte“ abzuleiten. Was heißt das: Bisher soll allein der Mensch der Rechtsinhaber sein. Allein die Menschenwürde als Sperre wurde aufgehoben, weil der ethische Tierschutz auf die Ebene der Grundrechte kam. Daher erweitert sich das Menschsein darauf, den Tieren um ihrer eigenen Leidensfähigkeit willen den Rechtsschutz zu gewähren.

    Die Legitimation dafür liegt in der über 220-jährigen Geschichte und in der Perspektive. Kein Geringerer als Immanuel Kant – vor 300 Jahren geboren – war ein Pionier des GG, hat im Tier die vollendete Pflicht des Menschen gegen sich selbst gesehen, Tiere sind als leidensfähig zu erkennen auch des Menschen wegen. Prof. Martha Nussbaum, Chicago, beruft sich darauf als Selbstzweck der Tiere und die Tierrechtswissenschaften Human-Animal-Studies stützen sich weltweit darauf. Wenn das Tier im Licht des Sittengesetzes unserer Pflichtenstellung entspricht, darf das Tier durch Art. 20a GG – das war Kant noch fremd — der tierspezifische Grundrechtsträger sein.

    Daraus ergeben sich weitreichende Folgen, dem Tier „das Seine“ um seiner selbst willen zu gewähren. Wer daran „Eigentum“ hat, muss es als Betreuer und Helfer der Tiere einsetzen. Und wer als staatlicher Amtsträger auf das Grundgesetz seinen Eid leistet, muss für das dem Sittengesetz entsprechende Tierrecht einstehen. Das ist Teil des Rechtsstaats. Daran sind Amtsträger zu messen, der Menschen und der Tiere wegen.

  • Die Wende zur unteilbaren Ethik für Tiere braucht unser Menschsein. – Das Sittengesetz im Licht des Art. 20 a GG
    Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Natur und Recht“, Heft 3, März 2023, Seite 163-169.

    Zu Ziffern 1-6 des Fachartikels

    (1, 2) Die magischen drei Worte „und die Tiere“ haben die Mensch-Tier-Welt grundlegend geändert: Seit der Neufassung des Art. 20 a GG heißt es dort „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere …“. Das war im Jahr 2002. Die Zweidrittelmehrheit des Deutschen Bundestages zeigte sich tief beeindruckt von einzigartiger zwölfjähriger Bürgerbewegung mit 170.000 Eingaben und anerkannte mit amtlicher Begründung insbesondere die höher entwickelten Tiere als „leidens- und empfindungsfähig“ , stellte fest, der ethische Tierschutz habe Verfassungsrang, es gelte der „Schutz vor nicht artgemäßer Haltung, vor vermeidbaren Leiden und die Achtung des Tieres als Mitgeschöpf“. Was aber muss daraus folgen? Der Verfasser greift auf die Anfänge der Rechtsentwicklung für Menschenrechte zurück und sieht schon dort die Nähe zu Tierrechten bei Rousseau, Bentham und Friedrich Schiller. Gegen schwerstes staatliches Unrecht der NS-Zeit kam es zur staatlichen Bindung an Gesetz und Recht sowie als Schranke der Handlungsfreiheit zur Bindung an „das Sittengesetz“ nach Art. 2 Abs. 1 GG. Im Licht demokratischer Legitimation des Art. 20 a GG folgt daraus jetzt die Menschenpflicht für Tiere in betreuungspflichtiger Obhut. Die unteilbare Mensch-Tier-Ethik lässt sich in vielen Stationen der Rechtsentwicklung belegen, sogar die Pflichtenlehre nach Immanuel Kant gibt dem Mitgefühl mit dem Tier wesentlich Raum, es kam schließlich 1972 zur Fortschreibung sittlicher Normen durch das „Grundgesetz der Tiere“, das allerdings nicht einklagbar war. Auch die Verfassungsänderung von 2002 blieb politisch und rechtlich lange ignoriert oder nur selten aus Rechtsgründen beachtet.

    (3, 4) Erst das Urteil des BVerwG v. 13.6.2019 gegen das einseitig seit Jahrzehnten ökonomisch praktizierte Töten von jährlich 45 Mio. männlicher Eintagsküken folgte der gesellschaftlichen Gewissensnorm des Art. 20a GG gemäß seinen amtlichen Gründen, bewusst den Tierschutz stärkend. Eine vom BVerwG gezogene Folge des Verfassungsranges ist, dass bei einer Kollision mit anderen Verfassungsgütern eine nachvollziehbare Güterabwägung erfolgen muss, was im Einzelfall höherwertig ist. Noch nicht beachtet blieb, dass dabei der verfassungsrechtliche Schutz des Tieres, zugleich aber auch die Menschenpflicht als „zweite Säule“ nach dem Sittengesetz zählen muss. Hinzu kommt die Rechtsfähigkeit des Tieres als Folge unmittelbarer rechtlicher Begünstigung der Tiere: Die grundgesetzlich vermeintliche Sperre, allein der Mensch sei Rechtsträger, ist durch Art. 20 a GG mit der Treuhänderstellung in Wertschätzung für die seiner Obhut anvertrauten Tiere aufgehoben, ihre mitgeschöpfliche Stellung lässt sich als „Rechtskreatur“ einstufen, das sind tierspezifische Grundrechte der Tiere in der Betreuungspflicht des Menschen.

    (5, 6) Tierqualen zufügen ist menschenunwürdig. Die Selbstachtung der Kulturgemeinschaft, auch der Jugendschutz sind weitere Maßstäbe, die zusammen mit strafrechtlichen Verboten, Wirbeltieren erhebliche Leiden zuzufügen, nicht überschreitbare Schranken zulässigen Handelns setzen. Tiere als Therapie sind oft Retter und Helfer des Menschen. Übergesetzliches Recht für angeborenes Recht lässt sich gleichermaßen für Menschen und Tiere sehen, die uns stammesgeschichtlich verwandt sind. Es gilt für empfindungs- und leidensfähige Wirbeltiere durch identisches Zentralnervensystem. Oft besteht auch „übergesetzliches Recht“ als Austauschverhältnis, wenn Tiere freiwillig oder unfreiwillig Leistungen für den Menschen erbringen. Als Fazit zählt in Konfliktfällen besonders die Menschenpflicht für Tierrechte, die als Vorgang dokumentiert und im Ergebnis stimmig sein muss.

  • Grundgesetzliche Neuausrichtung in Konfliktfeldern durch ein die Tierrechteeinschließendes Menschsein
    Veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Natur und Recht“, Heft 6, Juni 2023, Seite 377 – 384. Hinweis: Seite 9 des PDF, Fußnote 36, lese „Bülte, GA 9/2022, S. 518 ff.“

    Zu Ziffern 1-7 des Fachartikels

    (1) Der Mensch ist Treuhänder der Tiere: Obhutspflichten zur artgemäßen Haltung, zur Vermeidung von Leiden und zur Stellung des Tieres als Mitgeschöpf sollen das Tier schützen und erzeugen deshalb deren Recht. Erst recht folgt aus dem Verfassungsrang der Tiere in menschlicher Obhut deren Rechtsfähigkeit. Der 2002 geschaffene Verfassungsrang hat diese Tierrechte zu tierspezifischen Grundrechten erstarken lassen. Sie setzen menschlicher Handlungsfreiheit nicht zu überschreitende sittengesetzliche Schranken. Tiere sind auch nach EU-Recht als „fühlende Wesen“ zu behandeln.

    (2) Die grundgesetzliche Neuausrichtung darf auch bei der Tierschlachtung nur noch ausnahmslos schmerz- und angstfrei zulässig sein. Vielfaches staatliches und amtstierärztliches Versagen bei Fehlbetäubungen, grauenvolles Leiden, fehlende Videoüberwachung zur Kontrolle treffen jedoch täglich unvorstellbar viele Tiere. Betäubungsloses Schächten der Tiere wegen der Religionsfreiheit wäre mit der Kurzzeitbetäubung vermeidbar, das Ausbluten der Tiere möglich. Beachtlich ist, dass der nationale Gesetzgeber laut EuGH betäubungsloses Schächten verbieten darf.

    (3) Nothilfe für Tiere in gegenwärtiger Notlage entspricht bei verletzter Betreuungspflicht seinem Grundrecht auf Leidensvermeidung. Zur Abwendung der Not ist der Einbruch in Stallungen wegen Gewaltmonopol des Staates grundsätzlich nur bei behördlicher Untätigkeit zulässig.

    (4) Das System der praktizierten Massentierhaltung widerspricht den Verfassungsgeboten zum staatlichen Schutz der Tiere. Qualzucht und Qualhaltung sowie EU-Qualtransporte sind fortgesetzte Gewaltakte, klimabelastend durch industrielle Futtermittelgewinnung, menschenunwürdig herzlos. Grenzenlos gesteigerte Qualzucht der Milchkühe, der Mastschweine, der Puten u.a. führen zu anhaltendem Leiden und schweren Körperschäden bis hin zum vorzeitigen Tod der Tiere. Das Nahrungssuch- und Nahrungserwerbsverhalten, etwa arttypisches Scharren der Hühner, Schnüffeln der Schweine im Erdreich und die Grundbedürfnisse des Ruheverhaltens, des Sozialverhaltens mit Rangordnungen und Rückzugsmöglichkeiten u.a. können nicht mehr ausgeübt werden. Bei EU-Qualtransporten werden nicht abgesetzte Kälber ihren Müttern entrissen, um selbst während des Transports quer durch Europa nicht tierartgemäß getränkt zu werden. Staatliche Exekutive und im Eilverfahren tätige Judikative versagen kläglich.

    (5) Das System der Massentierhaltung schädigt nach umfassender Faktenlage das Grundrecht auf Leben und Gesundheit des Menschen: Das folgte schon aus der China-Studie, die 2004 zusammen mit den USA abgeschlossen wurde. Fettreiche Produkte aus der Massentierhaltung verursachen hiernach Prostatakrebs bei Männern und Brustkrebs bei Frauen. 2015 stellten 22 Experten der WHO aufgrund 800 epidemiologischer Studien aus dem Zeitraum von 20 Jahren fest, rotes Fleisch sowie Wurst sei „wahrscheinlich krebserregend“ und so „gesundheitsschädlich wie Zigarettenrauchen und Asbest“. In Massentierhaltungen wird stetig Antibiotika verabreicht, Lebensmittelverzehr führt zur Übertragung antibiotikaresistenter Bakterien auf den Menschen. Es bedroht Gesundheitsschutz in Krankenhäusern. Der Staat hat dieses System durch Verordnungen ausgestaltet und fördert es jährlich durch eine Milliarde Euro an Mast- und Fleischkonzerne, ca. 950 Mio. Euro für Futterflächen zur industriellen Mast.

    (6) Der Konflikt der Tierrechte mit Tierversuchen und Primatenversuche zur Grundlagenforschung. Der Komplex der Tierversuche kennt bisher unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unerlässlich“ und „ethisch vertretbar“ mit schwerem Leid der Tiere, was dem strafrechtlichen Qualverbot widerspricht. Wegen der Tierethik mit Verfassungsrang muss die Leidensvermeidung höheres Gewicht erhalten.

    Das Regierungspräsidium Tübingen hat 2019 Primatenversuche aber genehmigt, die seither auf 5 Jahre laufen, dagegen wird geklagt beim VG Sigmaringen. 13 Rhesusaffen werden im Schädel operativ Kopfhalter und Arbeitskammern implantiert mit elektrophysiologischen Ableitungen und elektrischer Mikrostimulation oder es werden Pharmaka ins Zentralnervensystem eingeschleust und Elektroden implantiert. Die Affen werden mit Flüssigkeitsentzug in den Käfig genötigt, wo sie für den Versuchszweck fixiert sind. Dies missachtet schwerwiegend die Verfassungsgebote „artgemäßer Haltung“, „Vermeidung von Leiden“ und „Achtung als Mitgeschöpf“. Im Wissenschaftsmagazin der MPG hat deren Präsident schon 2014 anerkannt, Tierversuche seien „unbrauchbar“, wenn die Tiere unter Durst, Angst und Schmerzen leiden, weil dies die physiologischen Systemabläufe verändert und die Ergebnisse dann nicht reproduzierbar sind.

    (7) Für die grundgesetzliche Breitenwirkung einer Wende für Mensch und Tier wesentlich sind:

    – Das BVerfG hat 2021 zur Teilnichtigkeit des Klimaschutzgesetzes die „signifikante Verwundbarkeit des Menschen gegenüber dem Klimawandel“ betont, wobei „die größten Anteile an den Treibhausgasemissionen im Landwirtschaftssektor“ der Bodennutzung und der Tierhaltung zugeschrieben werden. Unabhängige juristische Instanzen werden das beachten und die Maßstäbe grundgesetzlicher Neuausrichtung einbeziehen.

    – Die neue Verfassungslage gesellschaftlicher Tierethik und die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte auf Leben und Gesundheit gebieten es gleichermaßen, den Ausstieg aus der Qual der Massentierhaltung und der Tierversuche auf allen tragfähigen Ebenen einzuleiten.

    – Diese Wende im Zeichen des Klimaschutzes und des verantwortungsvollen Tierschutzes schulden wir zwingend auch zum Schutz der künftigen Generationen.

  • Warum die Tierethik kraft Verfassungsrang unaufschiebbare Konsequenzen verlangt
    Veröffentlicht in: Walter Neussel (Hrsg.) Verantwortungsvolle Landwirtschaft statt Qualzucht und Qualhaltung – Was warum schiefläuft und wie wir es besser machen können“, Verlag oekom, 2021, S. 229 – 239

    Der Fachbeitrag ist in drei Ziffern gegliedert.

    Zunächst wird in Ziffer 1 die vom Gesetzgeber 1972 erstrebte unteilbare Mensch – Tier-Ethik vertieft, zentral behandelt wird Ziffer 2 der „Quantensprung“ zum Verfassungsrang der gesellschaftlichen Tierethik, die der Verfasser 1990 anlässlich des Mauerfalls und der deutschen Einheit initiieren und mit einer einzigartigen Bürgerbewegung maßgeblich bis 2002 beeinflussen konnte. Der errungene Verfassungsrang des ethischen Tierschutzes gebietet nun Achtsamkeit und Empathie im Umgang mit den Tieren, artgemäße Tierhaltung und den Schutz vor vermeidbaren Leiden. Der Mensch hat treuhänderisch für ihm anvertraute Tiere einzustehen. Zugleich aus Gründen des Klimaschutzes gilt es, die qualvolle industrielle Massentierhaltung zu überwinden auf Basis einer Rechtsethik, welche die Menschenwürde mit der Tierethik verbindet. Nach Ziffer 3 gehören zu den unaufschiebbaren und unvermeidlichen Konsequenzen der neuen Weichenstellung die vorbehaltlose Umsetzung des Qualverbots, die bundeseinheitliche Einführung und Umsetzung der Tierschutz – Verbandsklage für anerkannte Tierschutzverbände, die Reform des Tierschutz – Kriminalstrafrechts, das Verbot des betäubungslosen Schächtens (wie vom EuGH anerkannt), die Anerkennung von Nothilfe und Notstand für Tiere und das weltweite Engagement für Tierrechte als unteilbar mit Menschenrechten verbunden. So ist dies in internationale Vereinbarungen einzubeziehen, weil es dem Schutz der Schwächeren und künftigen Generationen dient. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sollte daher in die Lage versetzt werden, weltweit auf Gerechtigkeit für die Tierwelt und den Schutz ihrer Lebensräume einzuwirken.

  • Tierschutzrechtskonforme Taubenhäuser und Taubenfütterungsverbote und Nothilfe für Tiere
    Publiziert in der Fachzeitschrift Natur und Recht, 2020, S. 827-832.
  • Zusammenfassung zu Tierschutzrechtskonforme Taubenhäuser und Taubenfütterungsverbote kommunale Taubenfütterungsverbote und Nothilfe für Tiere
  • Warum der Verfassungsrang des Tierschutzes auch für Stadttauben gelten muss
    Publiziert in der Fachzeitschrift Natur und Recht, 2021, S. 159-165.
  • Zusammenfassung zu Warum der Verfassungsrang des Tierschutzes auch für Stadttauben gelten muss